
M I C H A E L K R A M M E R: (T E I L 4)
Zivildienst in Nicaragua
Bestohlen in San Juan
Nach ungefähr einem Monat in Nicaragua ging ich eines Wochenendes mit meinem Zivikollegen Herbert in Sal Juan del Sur fort. San Juan del Sur ist der nächste größere Ort, man benötigt mit dem Bus, der dreimal am Tag über die staubige Piste fährt, vielleicht eine Stunde um hinzugelangen.
Etwas betrunken (und das war wie sich herausstellen sollte ein großer Fehler) legten wir uns in der Hospedaje Elisabeth schlafen und vergaßen wohl, die Tür abzusperren. Als ich in der Früh aufwachte, traute ich meinen Augen kaum. Sämtliche Kleidung, die Rucksäcke und das Geld waren weg. Alles was uns blieb waren die Boxershorts, in denen wir geschlafen hatten.
Mein Geldtascherl war noch da, aber natürlich ohne Inhalt bis auf einen Centavo-Schein, der faktisch nicht einmal das Papier wert ist, auf dem er gedruckt ist.
Es fehlte auch mein Toiletttäschchen, allerdings fanden wir am Boden benutzte Wattestäbchen. Der/die Dieb(e) hatten tatsächlich die Dreistigkeit gehabt, mitten in der Nacht während wir schliefen sich aus meinem Geldtascherl alle großen Scheine rauszunehmen und als Spaß den Centavo-Schein drinnenzulassen, danach mein Toiletttascherl zu inspizieren und sich noch im Zimmer mit den gefundenen Wattestäbchen die Ohren zu putzen.
Als ich mir dann die Situation vorstellte, ich wäre zufällig aufgewacht und hätte die dunklen Gestalten im Zimmer bemerkt, bekam ich doch einen ordentlichen Schreck. Die Besitzerin der Hospedaje lieh uns dann ein paar Sachen zum Anziehen (grüne Plastikschapfen, grellrotes T-Shirt und eine viel zu kurze weiße Jeans - es muss wirklich witzig ausgesehen haben) und so gingen wir auf die Polizei.
Die noch müden Polizisten interessierten sich nicht so sehr für unser Anliegen, aber schließlich packten sie dann doch ihre Maschinengewehre. Wir in unseren lustigen geliehenen Klamotten und drei schwerbewaffnete Polizisten fuhren im Polizeijeep zum Ort des Verbrechens.
Danach staunte ich nicht schlecht über die nicaraguanischen Polizeipraktiken. Denn auf den puren Verdacht der Hospedaje-Eigentümerin hin, ihr wäre ein Bus mit "vagos" (junge betrunkene Pandilleros) aus Managua aufgefallen, stellte sich vorne und hinten am Eingang je ein Polizist mit erhobener Waffe auf. Herbert und ich mussten in den Bus klettern, den ganzen Leuten ihre Taschen aufmachen und nachschauen, ob wir unsere Kleidungsstücke entdeckten. Es war klar, dass die finsteren und noch ziemlich angetrunkenen Gestalten nicht gerade begeistert waren von der Idee, sich von zwei Gringos ohne offensichtlichen Grund ihre Taschen durchwühlen zu lassen.
Natürlich fanden wir nichts, die örtliche Polizei sah hiermit den Fall als abgeschlossen an und zog ab. Übrig blieben wir zwei arme Gestalten und die Businsassen, die sich im Halbkreis aufgestellt hatten und sehr furchterregend wirkten mit ihren Tätowierungen und Kopftüchern. Wir hatten Glück, sie nahmen die Entschuldigungen an und waren vielleicht noch zu müde um eventuell irgendwelche für uns schmerzlichen Konsequenzen in Betracht zu ziehen.
Mit geborgtem Geld und ohne Hab und Gut aber Gott sei Dank unversehrt kehrten wir zum Coco zurück. Es war dies nicht das einzige Erlebnis, wo ich bestohlen wurde. Mit der Zeit kamen mir mindestens 3 Badehosen, andere Kleidung, Schuhe, Hängematten, usw. abhanden. Da gewohnt man sich dran bzw. passt man mit der Zeit einfach besser auf.
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